DGJ würdigt reformierten wissenschaftlichen Qualifikationsweg in Hessen

Mit Inkrafttreten der Novelle des Hessischen Hochschulgesetzes zum 1. Januar 2016 wird es in Hessen keine weiteren Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren mehr geben. Als Ersatz wurde für Hochschulen die Möglichkeit geschaffen, eine zunächst auf sechs Jahre befristete “Qualifikationsprofessur” zu besetzen. Während dieser Zeit können die zur Bekleidung einer Lebenszeitprofessur notwendigen zusätzlichen wissenschaftlichen Leistungen erbracht werden. Mit einer Entwicklungszusage kann zudem die Voraussetzung für eine Tenure-Track-Perspektive an der gleichen Hochschule gelegt werden.

Auch wenn die mit der Novelle verbundenen Veränderungen – abgesehen von der veränderten Bezeichnung – gering ausfallen, so zeigen sie aus Sicht der Deutschen Gesellschaft Juniorprofessur grundsätzlich in eine richtige Richtung. Besonders hervorzuheben sind die folgenden Aspekte:

  • Qualifikationsprofessuren sollen nur in Ausnahmefällen ohne eine Entwicklungszusage ausgeschrieben werden. Eine Tenure-Track-Perspektive soll damit offenbar zur Regel werden. Tenure-Track-Stellen sind das beste Mittel, um die Qualität der Forschung zu stärken und Karrierewege in der Wissenschaft wieder attraktiv zu machen.
  • Eine Zwischenevaluation nach 3 Jahren ist nicht mehr vorgesehen. Somit wird der Qualifikationsweg von einer zusätzlichen Kontrollschleife befreit, die bislang nur eine geringe steuernde Wirkung entfaltet und vor allem administrativen Aufwand auf Seiten der Wissenschaftler_innen und Universität- bzw. Fachbereichsverwaltungen erzeugt. Die bislang übliche Zweiteilung des Beschäftigungsverhältnisses von Juniorprofessor_innen führte mancherorts sogar schon zu Problemen bei der Schließung von Verträgen mit Wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen über die erste Periode hinaus, obwohl eine Drittmittelfinanzierung gesichert war.
  • Eine Deputatsreduktion für Qualifikationsprofessuren wird nun bereits im Gesetz vorgesehen. Diese gibt Nachwuchswissenschaftler_innen den nötigen Freiraum, um sich in einer wichtigen Karrierephase über eigenverantwortliche Forschungsleistungen auszuzeichnen.
  • Eine Qualifikationsprofessur kann zu attraktiveren Konditionen als eine W1-Juniorprofessur ausgeschrieben werden. Die Gesetzesnovelle ermöglicht somit eine angemessene Entlohnung der mit einer entsprechenden Stelle verbundenen Aufgaben (z. B. Besoldungsgruppe W2 anstatt W1), vergleichbar mit dem Karrieremodell „TUM Faculty Tenure Track“ an der Technischen Universität München.

Dem gegenüber sehen wir folgende Aspekte kritisch:

  • Der Wegfall der Zwischenevaluation erfordert flexiblere Ansätze zur Bestimmung der Berufungsvoraussetzungen für eine Lebenszeitprofessur. Dies ist darin begründet, dass die Zwischenevaluation vielerorts als Signal für eine Habilitationsäquivalenz einer Bewerberin bzw. eines Bewerbers interpretiert wird und Juniorprofessor_innen zum Teil erst nach erfolgreicher Zwischenevaluation in die engere Wahl für eine zu besetzende Professur genommen werden. In Zukunft wird daher von Berufungskommissionen noch stärker ein besonderes Augenmerk auf eine angemessene Beurteilung unterschiedlicher Qualifikationswege (Junior-, Assistenz- oder Qualifikationsprofessur, Habilitation oder Nachwuchsgruppenleitung) zu legen sein, damit Inhaber_innen einer Qualifikationsprofessur ohne Zwischenevaluation nicht strukturell benachteiligt werden.
  • Die Veränderung der Bezeichnung von Juniorprofessur zur Qualifikationsprofessur schafft möglicherweise neue Probleme. Wenn in den Hochschulgesetzen anderer Bundesländer die Juniorprofessur explizit als Formvoraussetzung für bestimmte Aufgaben oder Positionen gilt, so wäre diese mit der Qualifizierungsprofessur möglicherweise nicht erfüllt. Und selbst im novellierten Hochschulgesetz des Landes Hessen können zwar explizit Juniorprofessor_innen der eigenen Hochschule ohne Ausschreibung auf Professuren berufen werden. Diese Ausnahme wurde aber im Rahmen der Novellierung nicht auf die neu geschaffene Kategorie der Qualifizierungsprofessuren ausdehnt, so dass diese Gruppe im Vergleich zu vorher berufenen Juniorprofessor_innen benachteiligt wird.
  • Es ist offen, wie sichergestellt werden soll, dass die Qualifikationsprofessur mit Entwicklungszusage tatsächlich den Regelfall darstellen wird. Wir finden es bemerkenswert, dass die erste Ausschreibung für eine Qualifikationsprofessur in Hessen, eine W1-Qualifikationsprofessur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebswirtschaftliches Technologiemanagement an der Universität Kassel, bereits eine Ausnahme des vom Gesetzgeber gewünschten Regelfalls darstellt und offenbar ohne Entwicklungszusage ausgeschrieben wird.

Als Deutsche Gesellschaft Juniorprofessur würdigen wir ausdrücklich die mit der Gesetzesnovelle erzielten Verbesserungen, die den Hochschulen in Hessen neue Möglichkeiten für die Schaffung nachhaltiger Karriereperspektiven in der Wissenschaft geben. Wir werden beobachten, inwieweit diese Möglichkeiten nun auch sinnvoll genutzt werden.

Kontakt für Rückfragen

Tobias Potthoff (tobias.potthoff@juniorprofessur.org)