Wenig Konkretes zur Verbesserung des Wissenschaftssystems | Bundestagswahl 2017

Die Zukunft des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland mag nicht das dominierende Thema der diesjährigen Bundestagswahl sein. Sie ist aber für diejenigen, die sich für einen wissenschaftlichen Karriereweg entschieden haben, von zentraler Bedeutung. Um dieser Personengruppe eine Entscheidungshilfe bei der Wahl zu geben, hat die Deutsche Gesellschaft Juniorprofessur e. V. (DGJ) als Interessenvertretung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Führungsverantwortung bei den Parteien nachgefragt. Wir haben an alle Parteien, die aus unserer Sicht eine realistische Chance auf den Einzug in den 19. Deutschen Bundestag haben, 13 Fragen (Wahlprüfsteine) verschickt. Diese und die Antworten der Parteien zu den Themengebieten Wissenschaftsstandort Deutschland, Gestaltung nachhaltiger Karrierewege in der Wissenschaft, Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher Karriere, Betreuung von Studierenden sowie Finanzierung der Universitäten und Forschungsförderung haben wir jetzt auf unserer Homepage veröffentlicht. Als einzige der angefragten Parteien hat die AfD auch nach mehreren Erinnerungen nicht reagiert.

Auffallend ist, dass alle Parteien Handlungsbedarf zur Steigerung der Attraktivität des Wissenschaftsstandorts Deutschland sehen. Die Unterfinanzierung der deutschen Hochschullandschaft ist allen Parteien bewusst, auch wenn das Ausmaß unterschiedlich bewertet wird. Dies trifft ebenso auf die Schaffung familienfreundlicherer Rahmenbedingungen und nachhaltiger Personalstrategien in der Wissenschaft zu. Erwartungsgemäß werden verschiedene Lösungsansätze präsentiert, die zum Teil in der entsprechenden politischen Ausrichtung der Parteien begründet scheinen. Dabei finden sich teilweise vielversprechende Ideen, aber auch altbekannte Phrasen mit wenig Aussicht auf nachhaltigen Erfolg.

Bis auf DIE LINKE, die plant, Befristungen im fortgeschrittenen Stadium nach der Promotion (auch mit Anschlussperspektive bei positiver Evaluation) größtenteils abzuschaffen, stehen alle Parteien dem Tenure-Track-System positiv gegenüber und befürworten eine Ausweitung dieses Systems. Keine der befragten Parteien spricht sich dafür aus, die Juniorprofessur in ihrer ursprünglichen Form ohne Tenure-Track zu erhalten.

Das Bund-Länder-Programm zur Schaffung von 1.000 zusätzlichen Tenure-Track-Professuren in der letzten Legislaturperiode wird hingegen unterschiedlich bewertet. Während CDU/CSU auf die einzureichenden Personalentwicklungskonzepte hofft, fordert die SPD eine Verstetigung. Laut FDP ist das Programm auf Effekthascherei angelegt. DIE LINKE hätte sich einen zusätzlichen Fokus auf den Ausbau des akademischen Mittelbaus gewünscht, SPD und Grüne sehen höhere Erfolgschancen des Programms, wenn zusätzlich die Grundfinanzierung der Universitäten erhöht würde.

Wir als DGJ sehen das Bund-Länder-Programm nach wie vor als Schritt in die richtige Richtung und erhoffen uns einen Anschub zu einem flächendeckenden Ausbau des Tenure-Track-Systems in Deutschland. Insofern würden wir eine Ausweitung oder Verlängerung des Programms begrüßen, um den Prozess mit größter Intensität fortzuführen. Wir halten es aber auch für realistisch, dass die Universitäten das neue System aus eigener Kraft weiter vorantreiben.

Wir möchten als DGJ keine Wahlempfehlung aussprechen, sondern unseren Mitgliedern und allen Interessierten die Möglichkeit geben, sich über die einzelnen, teils kontroversen Positionen der Parteien zur Wissenschaftspolitik zu informieren. Wir als DGJ erwarten von der künftigen Bundesregierung klare und konkrete Maßnahmen zur Stärkung des deutschen Wissenschaftssystems und eine verlässliche Perspektive für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Leider bleiben viele Antworten der Parteien auf unsere Fragen vage und lassen viel Raum für Spekulationen; der Leser muss sich daher seine eigene Meinung bilden. Die Tatsache, dass sich Probleme wie die Unterfinanzierung deutscher Hochschulen oder die häufig fehlende Familienfreundlichkeit in der Wissenschaft nicht in einer Legislaturperiode umsetzen lassen, kann nicht als Ausrede für eine ungenügende Sichtbarkeit dieser Punkte in den Regierungsprogrammen dienen. Ebenso sollten sich Bund und Länder nicht gegenseitig die Verantwortung zuweisen, sondern gemeinsame, nachhaltige Handlungsstrategien entwerfen. Positive Ansätze, wie beim Bund-Länder-Programm, sind dabei durchaus erkennbar; die Erfolge der Umsetzung bleiben jedoch abzuwarten. Das deutsche Wissenschaftssystem fit für die Zukunft und international wettbewerbsfähig zu machen ist eine gewaltige Herausforderung, birgt aber vielleicht auch eines der größten Potenziale dieses Landes.

Jens Pöppelbuß, Stephan Scherneck, Felix Krahmer und Tobias Potthoff

 

Die Wahlprüfsteine der DGJ und die wörtlichen Antworten der Parteien finden Sie unter http://www.dgj-wissenschaft.de/bundestagswahl-2017.